Auf der Station 33 b konnte ich lernen, mit meinen Mitmenschen besser umzugehen, d.h. das Leben anderer ist mir näher gewesen als in meinem vorherigen Lebensabschnitt. Ich hatte keine Lösungen für meine Probleme gefunden, wurde mißtrauisch, unsicher und egoistisch, zog mich von der Gesellschaft zurück und wurde straffällig.
In der Therapie konnte ich aber lernen, Lösungen zu finden, indem ich Vergleiche ziehen konnte, indem ich mit dem Team wie in Einzel-und Gruppengesprächen, aber auch in intensiveren Gesprächen mit Mitpatienten Vorschläge erarbeiten konnte, wie ich mein weiteres Leben gestalten könnte. Und ich muß sagen, ich war auf diese Hilfe angewiesen. Ohne Hilfe, also nur Strafhaft, hätte ich es sicher nicht geschafft, und ich bin dankbar, daß mir diese Hilfe zuteil geworden ist. Mein Weg bis zur Entlassung war länger als ich dachte.
Ich verbrachte schon vor meinem Urteil längere Zeit in einer Anstalt. Alsbald nach dem Urteil durfte ich an einer Arbeitstherapie teilnehmen, aber sonst gab es nur vereinzelte helfende Gespräche. Aus organisatorischen Gründen wurde ich nach Langenfeld verlegt. Hier war es dann zu Anfang meines Aufenthaltes für mich auch noch sehr schwer. Ich durfte auch hier ziemlich schnell wieder an einer Arbeitstherapie teilnehmen, aber das war mir nicht genug, und so bemühte ich mich schon früh,eine Anstellung zu bekommen. Denn für mich bedeutet Arbeit zu haben ein Stück Sicherheit. Ich fand auch Arbeit, allerdings halbtags. Im Laufe der Zeit konnte ich aber in Vollzeit arbeiten.
Durch einen Wechsel in der Stationsleitung machte ich dann die Erfahrung mit dem „Langenfelder Modell". Hier lernte ich, offen über meine Probleme, meine Gefühle und Erfahrungen zu sprechen, so daß ich mich letztlich besser kennenlernte und somit selbstbewußter wurde, d.h. vor allem, daß ich mein Verhalten besser steuern konnte. Als es abzusehen war, daß ich beurlaubt werden würde, sparte ich Geld an, um mir Wohnung und Einrichtung leisten zu können. Bei der Wohnungssuche hatte ich Glück. Ich richtete mir die Wohnung ein, und als sie bezugsfertig war, empfand ich das erste Mal in meinem Leben ein wenig Stolz. Ich war auf dem richtigen Weg! Endlich!
Außer Stolz gab es aber auch noch andere Gefühle - nämlich Einsamkeit. Man ist erst einmal ziemlich auf sich allein gestellt. Es gibt wohl während der Beurlaubung noch therapeutische Begleitung, d.h. alle zwei oder vier Wochen einen Gesprächstermin, und man kann auch, wenn größere Probleme auftreten, wieder Kontakt mit der Station bzw. dem Therapeuten aufnehmen. Aber eigentlich sollte man stark genug sein, sich sozial ausgewogen zu verhalten.
Ich machte auch so meine Erfahrungen mit der hier gelernten Offenheit. Viele Menschen sind nicht so geübt, über ihre Erfahrungen zu sprechen, halten sich bedeckt, und über Gefühle wird vor allem von Männern sehr wenig - wenn Oberhaupt - gesprochen. Auch das kann ein Problem sein. Da hilft nur Übung im Umgang mit anderen Menschen; gegebenenfalls sollte man anderen helfen zu verstehen. Ich denke, jeder hat das Recht, anderen seine Gefühle mitzuteilen, und ich glaube, meine Mitpatienten und ich haben es gelernt bzw. werden es lernen, Gefühle zu äußern; schließlich war die Einstellung zu Menschen und zur Gefühlswelt (zur eigenen wie zu der anderer) gestört, und diese Störung führte über die Straftaten zur Unterbringung.
Nun zu den rechtlichen Umständen ein paar Worte:
Die Unterbringung erfolgt durch richterlichen Beschluß. Jedes Jahr wird neu entschieden, ob die Unterbringung aufgehoben werden kann oder fortgeführt werden muß. Im allgemeinen folgt das beschlußfassende Gericht der Stellungnahme der Stationsleitung. Alle drei Jahre wird noch dazu ein externes Gutachten eingeholt. Bei der richterlichen Anhörung darf ein Anwalt eigener Wahl zugegen sein. Gegen den Beschluß kann Widerspruch eingelegt werden. Die Stationsleitung befürwortet eines Tages die Beurlaubung bzw. Entlassung.
Zur Beurlaubung stellt die Stationsleitung Bedingungen. Mit der Entlassung aus der Unterbringung können dann Auflagen gemacht werden (durch und im Ermessen des Gerichts). Verstöße gegen die gemachten Auflagen werden geahndet. Wurde zur Unterbringung auch Strafzeit ausgesprochen, bekommt man eine(n) Bewährungshelfer(in) zugewiesen, der (die) dann zur Kontrolle und Führung weitere Termine ansetzt. Darüber hinaus führt die Führungsaufsichtsstelle beim erkennenden Gericht auch eine Akte über den Entlassenen und macht sich ein Bild von ihm (z.B. durch Vorladung zur Führungsaufsichtsstelle oder Verlaufsberichte des Bewährungshelfers über den Entlassenen oder auch über Hausbesuche u.ä.).
Nun zu dem organisatorischen Teil des Lebens:
Für mich war Arbeit und ein eigenes Einkommen wichtig (sonst bleibt noch das Sozialamt). Mit dem Ersparten konnte ich auf Wohnungssuche gehen und mir Einrichtungs gegenstände kaufen. Als ich beurlaubt war und die Wohnung hatte, mußte ich aus rechtlichen Gründen dort meinen „zweiten Wohnsitz„ melden Einwohnermeldeamt/Rathaus).
Mit den Stadtwerken hatte ich nichts zu tun (wegen Warmmiete). Ich kaufte mir ein Telefon, meldete es an (Rechnung kommt automatisch). Fernseh - und Rundfunkgebühren wurden hier schon erhoben. (Ummeldeformular liegt der ersten Rechnung bei). Hat man für TV Kabelanschluß, macht man mit der Telekom einen Vertrag. Dann braucht man natürlich eine Bankverbindung. (Stadtsparkassen müssen ein Girokonto auf Verlangen einrichten)! Hat man bei solchen Notwendigkeiten Probleme, kann man sich als Beurlaubter an den Sozialarbeiter in der Klinik wenden. Ist man entlassen, kann man sich durch Sozialarbeiter der Führungsaufsichtsstelle helfen lassen ( meine Erfahrung: Hilfe erfolgt sofort).
Zum sozialen Umfeld und Umgang:
Ich weiß, ich lerne immer wieder dazu und hoffe, so meinen Weg (der Weg ist das Ziel!) zu finden.
Ich hoffe, dazu beigetragen zu haben, daß auch andere (Noch-Patienten) ihren Weg - das Ziel - finden werden.
Wir danken unserem ehemaligen Mitpatienten für seine Offenheit.
Sein Bericht kann für uns eine große Hilfe sein.
Das Gespräch mit ihm führte Günter Leymann.