F.B.: Ich bin Lehrerin geworden, weil ich gerne mit Kindern arbeiten wollte; denn was ich bei ihnen sehr schätze, ist ihre Lebendigkeit, ihre Spontaneität und Offenheit. Außerdem hat es mich immer beeindruckt, wie leicht Kinder lernen können.
K.D.: Warum arbeiten Sie nicht in der Grundschule sondern im LKH Langenfeld?
F.B.: Als ich meine Ausbildung beendet hatte, wurden keine Lehrer(innen) in den Schuldienst
übernommen. Ich Überlegte mir daher, bis zum nächsten Einstellungstermin mal etwas völlig
anderes zu machen. So kam es, daß ich hier in der Klinik 2 1/2 Jahre als Hilfsschwester auf verschiedenen
Stationen gearbeitet habe.
Nachdem 1984 dann das Maßregelvollzugsgesetz in NRW in Kraft getreten war, wurde ein
Jahr später eine Lehrerstelle in der Forensik geschaffen, wozu maßgeblich das Engagement des Teams der
damaligen forensischen Station 15 beigetragen hat. Diese Stelle wurde mir angeboten, und da es mich reizte,
etwas Neues aufzubauen, habe ich zugesagt.
K.D.: Welche Art von Unterricht machen Sie?
F.B.: Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist die Alphabetisierung, d.h. Patienten, die
nicht lesen und schreiben können oder große Schwierigkeiten damit haben, können dieses hier lernen.
Weiterhin gibt es Unterrichtsangebote in Deutsch, Mathematik und Englisch, wo Grundkenntnisse
für den Alltag erworben werden können oder Schulwissen aufgefrischt und erweitert werden kann.
Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, einen Schulabschluß zu machen. Das erfordert
i.d.R. allerdings die Teilnahme an einem entsprechenden Kursus an der Volkshochschule oder einer anderen Erwachsenenbildungseinrichtung.
In dem Fall biete ich dann vorbereitenden und begleitenden Unterricht an. Als ein zusätzliches Angebot sind
schließlich noch die Kurse zur Vorbereitung auf eine Radfahrprüfung zu nennen. Sie finden nach
Bedarf und nur bei einer entsprechenden Zahl von Teilnehmern statt.
K.D.: Findet der Unterricht in Klassen statt?
F.B.: Nein. Anders als in der Schule findet der Unterricht als Einzelunterricht oder in Kleingruppen statt. Das bietet den Vorteil, bei den sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Unterrichtsteilnehmer mitbringen, auf jeden einzelnen individuell eingehen zu können und so z.B. gemeinsam mit ihm Ziele und Inhalte des Unterrichts abstimmen zu können.
K.D.: Kommen auch Patienten von nichtforensischen Stationen zum Unterricht?
F.B.: Das Unterrichtsangebot besteht nur für Patienten, die nach §63 oder §64
StGB untergebracht sind, d.h. also für forensische Patienten, unabhängig davon, auf welcher
Station sie sich gerade befinden. Andere Patienten können dieses Angebot leider
nicht wahrnehmen.
K.D.: Warum nicht?
F.B.: Mein Unterrichtsauftrag beschränkt sich auf die forensische Abteilung bzw. auf forensische Patienten.
K.D.: Verteilen Sie auch Noten?
F.B.: Noten oder Zeugnisse gibt es generell nicht, denn damit verbinden die meisten eher unangenehme schulische Erfahrungen. Außerdem sind Noten auch nur wenig aussagekräftig. Lediglich Patienten, die einen Hauptschul- oder Realschulkurs besuchen, erhalten Noten und Zeugnisse.
Wichtig erscheint es mir aber schon, Lernverhalten, Lernfortschritte und Leistungen zu dokumentieren, z.B. in Form von Schulberichten, und zwar zur Information und Orientierung sowohl für den einzelnen Patienten als auch für das behandelnde Team.
K.D.: Wo findet der Unterricht statt?
F.B.: Der Unterricht findet stationsunabhängig in einem eigens hierfür zur Verfügung stehenden Schulraum statt. Nur im Einzelfall, wenn ein Patient die Station auf absehbare Zeit auch in Begleitung nicht verlassen darf, gehe ich auf die Station, um dort Unterricht zu erteilen. Das ist bisher allerdings sehr selten der Fall gewesen.
K.D.: Wenn ein Patient, der neu ist, bei Ihnen Unterricht haben möchte, muß
er warten?
Wenn ja, warum?
F.B.: Wenn ich erfahre, daß jemand Unterricht machen möchte, kläre ich
zunächst mit ihm in einem Gespräch ab, was er lernen möchte, welche Ziele er hat und wie sein Kenntnisstand
ist. Es kommt dann schon ab und zu vor, daß ein Patient aus therapeutischen Gründen nicht sofort
mit dem Unterricht beginnen kann. Viel häufiger ist es aber leider so, daß Unterrichtsinteressenten
eine längere Wartezeit (bis zu einem halben Jahr.z.T. sogar auch noch länger) in Kauf nehmen müssen,
weil die Nachfrage immer größer als das Angebot ist; denn mit meiner 3/4 Stelle bin ich als einzige
Lehrerin für derzeit 59 Patienten auf fünf forensischen Stationen zuständig.
Da sich diese Abteilung in der Vergangenheit immer wieder vergrößert hat - als
ich hier als Lehrerin anfing, gab es nur zwei forensische Stationen mit insgesamt 39 Patienten - und auch für
die Zukunft noch Erweiterungen geplant sind, ist es nicht nur wünschenswert sondern auch unbedingt erforderlich,
noch eine weitere Lehrerstelle zu schaffen, um damit den veränderten Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Ich bedanke mich für das Interview!!!
Kl.-D. Kalle