Prof. Jacob Mabe

 

Biologischer Materialismus und Rassismus.

 
Der biologische Materialismus ist eine Weltanschauung, der zufolge die ungleichen Lebensformen und -weisen der Menschen und Völker materielle Grundlagen haben, die erkennbar, erforschbar und experimentierbar sind. Viele Anthropologen gehen von dieser vorwiegend in der Rassenbiologie vertretenen Auffassung vom Menschen aus, um die kulturellen und sozialen  Unterschiede zu reflektieren. Dabei wird das Materielle im Menschen mit dessen physischen Konstitution (Haare, Hautfarbe, Geschlecht etc.) gleichgesetzt. Daraus folgt die Differenzierung der Menschengruppen oder Völker in Rassen. Dieser Unterscheidung liegt offensichtlich ein ethnozentrisches Motiv zugrunde, Menschen in ethnischen Gruppen zu kategorisieren, um daraus ihre biologische sowie moralische, intellektuelle oder mentale Ungleichheit abzuleiten. Dies wird mit dem Argument begründet, Menschentypen mit unterschiedlichen biologischen Anlagen können keinerlei analoge Handlungs- und Denkweisen haben, denn sie seien ihrem Wesen und ihrer Natur nach so verschieden, dass ihre Lebensweisen inkompatibel sein müssten. Eine kulturelle Gemeinsamkeit käme demnach lediglich bei biologisch Verwandten (z.B. Menschen mit weißer Hautpigmentierung) in Frage. Auf diese Weise wurde dem Materialismus biologische Fundamente verliehen, die heute entscheidende Bedeutung für das rassistische Denken in der zeitgenössischen Wissenschaft und Philosophie haben. Kennzeichnend für den biologischen Materialismus ist sodann dessen Verschmelzung von rassenbiologischen und ethnozentrischen Einsichten.
 
Die biologische Unterteilung der menschlichen Art in verschiedene Rassen und die damit einhergehende Typologisierung der Kulturen hat dazu geführt, dass jede Menschengruppe sich selbst und ihre eigene Kultur als einzigartig und unverwechselbar betrachtet  und sich zugleich den als fremden bezeichneten Typen von Menschen für materiell und geistig überlegen hält. In der praktischen Politik läßt sich der biologische Materialismus mit der sozialdarwinischen Theorie vergleichen. Denn auch seine politischen Verfechter wehren sich gegen die sogenannte Rassenvermischung und stehen jeglicher Form des Verkehrs mit Fremden, die als kulturell Unterlegene eingestuft sind, entschieden ablehnend gegenüber. Man glaubt damit sein Land gegen jeden Angriff der „Niedermenschen„ auf seinen kulturellen, ökonomischen und technischen Reichtum schützen. 
 
Dieser ursprünglich nach außen gerichtete Kampf hat sich mittlerweile nach innen verlagert. Anstelle von fremden „Niedermenschen„ werden heute auch religiöse, gleichgeschlechtliche oder ethnische Minderheitsgruppen im eigenen Lande als eine neue Gefahr für das Kulturleben empfunden. Um die breite Masse auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen, versucht man, alle Andersdenkenden von der Gemeinschaft systematisch auszuschließen, indem man sie zu Unterwesen degradiert sowie ihre Lebensart für Unwert deklariert. Das biologisch- materialistische Ziel dieser sozialen Kategorisierung besteht dabei darin,  die Reinheit der „Protorasse„ mit all ihren Tugenden zu erhalten, indem die Existenz der „Randgruppen„durch politische Ausgrenzung überflüssig gemacht wird. Obwohl die Politik der so genannten ethnischen Säuberung gegen das Menschen- und Völkerrecht verstößt, greifen autoritäre Herrscher immer wieder auf eliminationspolitische Praktiken mit dem Ziel zurück, die persönlich aus Neid oder Machtkalkül gehassten Menschengruppen zum Sündenbock der Landesmisere zu erklären.
 

Unterwerfen sich diese Menschen nicht dem Willen des Despoten, werden sie gejagt, vertrieben oder vernichtet. Man denke dabei an die Lage der Kurden im Irak und in der Türkei, der Euroafrikaner in Simbabwe, der Bantustämme im Sudan, der Tamilen in Sri Lanka etc. Doch die Politik der Ausgrenzen oder Töten hat bislang nirgends dazu geführt, die Menschen dauerhaft zu überflüssigen oder subalternen Geschöpfen zu machen. Abgesehen davon kann keine Ideologie helfen, den Menschen in eine bestimmte Richtung zu züchten. Seit insbesondere dem 19. und 20. Jahrhundert haben sich verschiedene Kategorien von Feindbildern (Fremden, Kleinwüchsigen, Körperbehinderten und sonstigen Minderheitsgruppen) herausgebildet. Im folgenden wird an drei Beispielen gezeigt, mit welchen  Maßnahmen bislang gegen Menschen politisch vorgegangen wurde, die dem Menschenbild der „Oberrase„ nicht zu entsprechen schienen:

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