Weihnachten im Landeskrankenhaus

Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit der Familie. Eine Zeit, in der man sich an den dunkleren Nachmittagen und Abenden bei Kerzenschein und vielleicht selbstgebackenen Plätzchen zusammensetzt. Oft auch eine Zeit, in der man das vergangene Jahr noch einmal Revue passieren läßt, bedenkt, was schön und nicht so war wie man es sich gewünscht hat.

Für viele, und besonders psychisch "Kranke", ist Weihnachten aber auch eine schwierige Zeit:

Alte, vielleicht traurige, Erinnerungen oder solche an schöne und "gesunde" Feiern können einen überschwemmen. Konflikte und Probleme in der Familie können sich extrem zuspitzen und denen, die allein sind, wird ihre Einsamkeit besonders schmerzlich bewußt.

Wir wollen in dieser Ausgabe einmal versuchen zu beschreiben, wie Weihnachten im Landeskrankenhaus ist oder sein könnte.


Im Auftrag des ROSDORFER KREISEL sprach Swantje Gottesleben dazu mit Herrn Z., dem leitenden Pfleger der Station X.3. und mit Anna, die über Weihnachten Patientin auf der X.3. war.

Die Namen und auch die Bezeichnungen der Stationen haben wir in diesem Beitrag verfremdet.



Rosdorfer Kreisel (RK): "Herr Z., Sie haben an Heiligabend und an den Feiertagen
Dienst auf der Station X.3. gehabt. Wieviel PatientInnen waren eigentlich in diesen Tagen auf der Station?"

Herr Z.: "Da wir eine offene Station sind, waren die meisten Patienten nach Hause beurlaubt, nur vier haben die Tage auf der Station verbracht. Das waren hauptsächlich die Leute, die im Moment keine Wohnung haben, oder zum Beispiel auch solche mit größeren Eheproblemen."

RK: "Und wie waren das Pflegeteam und der ärztliche Dienst besetzt?"

Herr Z.: "Auf der Station waren wir in jeder Schicht zu zweit, im Spätdienst am Heiligabend habe ich mit einem Schüler zusammen Dienst gehabt. Dem war, als wir um 18.00 Uhr auf dem Balkon gestanden und die Kirchenglocken gehört haben, doch etwas beklommen zumute.

Für mich ist Weihnachtsdienst nach so vielen Jahren Routine. Die Ärzte hatten sich für Weihnachten und Silvester in zwei Gruppen geteilt, und es war jeweils ein Arzt für die beiden Stationen der Xer-Ebene zuständig."

RK: "Waren die Weihnachtstage nun eine besonders kritische Zeit für die PatientInnen, die noch auf Station waren?"

Herr Z.: "Eigentlich nicht. Es war recht ruhig, und NMr mußten auch niemanden akut aufnehmen."

RK: "Wie haben Sie auf der Station gefeiert?"

Herr Z.: "Am 22.12. haben wir nachmittags für alle eine Feier gemacht. Dabei waren alle Patienten, diejenigen, die im Pflegeteam Dienst hatten, die Ärzte, der Ergotherapeut und Pastorin Bondick, die auch eine Ansprache gehalten hat. Wir haben Gedichte gelesen und gespielt. Es gab Torte und natürlich Weihnachtsgebäck. Als warmes Essen gab es Kassler in Blätterteig mit Ananassauerkraut"

RK: "Durften auch echte Kerzen angezündet werden ?"

Herr Z.: "Unter Aufsicht ja. Ein Patient hat einen Kasten Kerzen gespendet, von der Verwaltung hatten wir keine bekommen."

RK: "Gab es denn auch wieder ein kleines Geschenk vom Haus für die PatientInnen?"

Herr Z.: "Nein, dieses Jahr nicht mehr, wegen den Sparmaßnahmen. Früher haben
wir immer Bescheid gesagt, wieviele Leute zu Weihnachten da waren und haben dann auf Station mit dem, was die Küche geschickt hatte, kleine Überraschungstüten für jeden gepackt."

RK: "Gab es auch weihnachtliche Musik ?"

Herr Z.: "In den letzten Jahren war immer ein kalifornischer Chor, der von einem amerikanischen Studenten geleitet wurde, auf allen Stationen. Dieses Jahr hat in der Adventszeit einmal eine Flötengruppe von Menschen im Schatten musiziert."

RK: "Und haben Sie im Pflägeteam auch ein bißchen gefeiert?"

Herr Z.: Ja, wir sind alle zusammen Essen gegangen, ins"Adria", auf dem Gelände der ehemaligen Zietenkaserne. Die beiden,die gerade Nachtdienst hatten, konnten leider nicht mitkommen."

RK: "In den meisten Krankenhäusern sind zu Weihnachten die Kaffeekassen und Pralinenbestände besonders gut gefüllt. Wie war das auf der Station X.3.?"

Herr Z.: Die meisten Patienten haben bei uns ja sehr wenig Geld, viele sind arbeitslos, berentet oder Soziaihilfeempfänger. Deswegen ist das bei uns anders als in anderen Häusern."

R K.: Eine ganz andere Frage: Was könnte man auf der X.3. Weihnachten anders machen ? Lassen Sie mal ihrer Phantasie freien Lauf

Herr Z.: "Ich bin eigentlich zufrieden damit, wie wir die Tage gestalten.. Man könnte natürlich, wie auf der Station Y.2., mit den Patienten und dem Pflegeteam zusammen feiern. Die waren im Restaurant am Kiessee gemeinsam essen, das Haus hat für die Angestellten DM 10,00 und DM 15,00 für die Patienten dazugegeben. Aber eigentlich such ich mir ganz gerne selbst die Leute, mit denen ich essen gehe. Nein, ich bin zufrieden damit, wie es bei uns läuft."

RK: "Eine letzte Frage: Sie arbeiten ja nun schon lange im Landeskrankenhaus.
Haben Sie Weihnachten einmal etwas ganz besonderes erlebt, eine kleine
Geschichte, die sie erzählen mögen?"

Herr Z.: "Naja, einmal haben wir etwas erlebt, das war allerdings ein bißchen makaber. Es muß 1970 oder 1971 gewesen sein. Damals habe ich auf der jetzigen Station 12.2. gearbeitet. Das war allerdings zu der Zeit noch keine Suchtstation, sondern eine allgemeine. Früher waren die Stationen ohnehin nicht so spezialisiert.

Wir waren gerade dabei, im Tagesraum mit den Patienten, die konnten, Heiligabend zu feiern, da ist nebenan im Wachsaal ein älterer Patient gestorben. Wir wollten natürlich nicht, daß die anderen Patienten das, gerade an so einem Tag, mitkriegen. Wir haben dann zu dritt, sozusagen heimlich, den Toten über die Hintertreppe zwei Stockwerke runter und ins Leichenhaus gebracht. Das gab es damals noch auf dem Gelände, da, wo jetzt der neue Parkplatz gebaut worden ist. Das war natürlich ein bißchen abenteuerlich."

RK: "Ja, hm, vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Z.!"



Soweit das Gespräch mit Herrn Z. Anschließend hat sich der ROSDORFER KREISEL mit Anna verabredet und auch ihr ein paar Fragen gestellt:

RK: "Anna, wie sah denn nun Weihnachten auf der Station X.3. aus PatientInnen-
sicht aus?"

Anna: "Also, Weihnachten im LKH kann ganz angenehm sein."

RK: "Und, war es dieses Jahr auch für euch, die ihr hier ward, angenehm ?"
Ahna: "lch denke schon, ja."
RK: "Keine großen Krisen?"
Anna: "Für mich nicht."
RK: "Und für die anderen drei, die noch hier waren ?"

Anna: "Weiß ich nicht. Glaube ich, auch nicht."

RK: "Und warst Du enttäuscht, daß es dieses Jahr - wegen der Sparmaßnahmen -
kein Weihnachtsgeschenk mehr vom Haus gab ?"

Anna: "Nein, ich war nicht enttäuscht, habe ich so auch gar nicht zur Kenntnis genommen. Ich war letztes Jahr noch nicht hier, deswegen weiß ich nicht wie das ist."

RK: "Aber Du hättest Dich sicher gefreut über eine kleine Aufmerksamkeit vom
Haus?"

Anna: "Sicherlich."
RK: "Und was denkst Du, könnte man Weihnachten besser machen, auf den Stationen im Landeskrankenhaus?"

Anna: "Nicht so viele Freßsachen hinstellen."

RK: "Und sonst noch was? Laß Deiner Phantasie freien Lauf ! Herr Z. durfte auch schon phantasieren!"

Anna: "Och, für jeden eine kleine Reise in den Süden, bezahlt von dem teuren Tagespflegesatz, wäre nicht schlecht."

RK: "Wohin wurdest Du fahren wollen?"

Anna: "Nach Griechenland."

RK: "Naja, und was könnte, so mit realistischen
Möglichkeiten, besser sein ?"

Anna: "Das Personal könnte freundlicher sein."
RK: "Und hast Du Weihnachten irgend etwas
vermißt ?'

Anna: "Ja, meinen Schokoladenweihnachtsmann!"

RK: "Und wie möchtest Du nächstes Jahr Weihnachten feiern ?"
Anna: "Auf jeden Fall nicht im Landeskrankenhaus!"
RK: "Danke, Anna!"

(Swantje Gottesleben)



Auch weiterhin sind wir interessiert Ihre Erfahrungen und Wünsche zur Gestaltung von Feiertagen im Landeskrankenhäus zu erfahren. Schreiben Sie uns!