17.04.2004
Junge Welt
Inland
Matthias Pfeiffer
»Wir wollen nicht verrückt gemacht werden«
In Berlin-Buch wehren sich Psychiatriepatienten gegen eine Zwangsverlegung und werden behindert
Ihre Münder waren mit Pflastern verklebt, als die Männer am Donnerstag in den Garten der Forensik Berlin-Buch kamen. Es waren fünf Insassen der psychiatrischen III. Abteilung des Berliner Maßregelvollzugskrankenhauses, die auf diese Weise gegen das Verbot ihrer Pressekonferenz protestierten. Diese hatte der verantwortliche Chefarzt Karl Kreutzberg kurzfristig verboten, weil sie als Patienten schlicht »kein Recht« hätten, sich an die Presse zu wenden.

Eine Initiative von 45 Insassen der Forensik Buch hatte die Journalisten in das Krankenhaus eingeladen, um ihren Widerstand gegen die geplante Zwangsverlegung der Abteilung öffentlich zu machen. Sie befürchten durch den Umzug in die Reinickendorfer Karl Bonhoeffer Nervenklinik erhebliche Verschlechterungen ihrer Haft- und Therapiesituation.

Die Verlegung soll im kommenden Oktober stattfinden und wurde ihnen mit Kosteneinsparungen am neuen Standort begründet. Oliver Boumann, Sprecher der Patienteninitiative, überzeugt das nicht: »Allein der Umzug in die Karl Bonhoeffer Nervenklinik kostet 17 Millionen Euro, dazu kommen bis zu acht Millionen für notwendige Baumaßnahmen.«

Die Betroffenen kritisieren, daß sie in der Bonhoeffer-Klinik Doppelzimmer erhalten sollen. Gegenwärtig sind sie einzeln untergebracht. Zudem gäbe es in Berlin-Reinickendorf keine Arbeitsmöglichkeiten für sie und weniger Therapiezeiten. Die Leitung der Forensik war gegenüber jW nicht bereit, zu den Argumenten der Patienten Stellung zu nehmen. Um ihrer Forderung nach einem Verbleib in Buch Nachdruck zu verleihen, haben die 45 Insassen einen offenen Brief verfaßt. In ihm fordern sie für ihre Behandlung einen »vernünftigen Lebensraum« der ihnen ermöglicht, die Haftzeit durchzustehen »ohne ›verrückt‹ gemacht zu werden«. Diesen Brief haben die Patienten unter anderem an den Petitionsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, den Landesbeauftragten für Psychiatrie Heinrich Beuscher und die Berliner Senatorin für Soziales, Heidi Knake-Werner, gesandt.

Sie sind damit in der BRD die ersten Forensikinsassen, die sich selbständig öffentlich artikulieren. Ein Novum, mit dem die Klinikleitung um Dr. Kreutzberg schwer umzugehen weiß. Zwar ist es das Ziel der Forensik in Buch, die Patienten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, daß diese jedoch von sich aus das Grundrecht der Meinungsäußerung in Anspruch nehmen, scheint des Guten zuviel zu sein.

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